Weiß blaue Rothirsch-Geschichten: Traurig aber wahr

(www.rosenheim24.de vom 15.11.2016) Es klingt nach einem guten Krimi: Ein vermummter Jäger, der nachts mit einem Beutel durch den Wald schleicht, eine Kamera mit interessanten Aufnahmen und Jäger, die Anzeige erstattet haben: Diese Geschichte beschäftigt derzeit nicht nur die Jäger auf dem sogenannten Samerberg im oberbayerischen Landkreis Rosenheim, sondern auch Polizei und Staatsanwaltschaft.

Der konkrete Fall: In den 1980er Jahren wurden am Samerberg vom damals zuständigen Ministerium die niedrigeren Lagen zu sogenannten „rotwildfreien Gebieten“ erklärt, die Areale in den Hochlagen hingegen zu legalen Rotwildgebieten. Nun scheint es so gewesen zu sein, dass das Rotwild erst mit Futtergaben in die rotwildfreien Gebiete gelockt wurde, um es dort ohne Regeln schießen zu können. Die Jäger in den „legalen“ Rotwildgebiete haben offensichtlich jedoch ihrerseits ebenfalls Duftmarken ausgelegt, um das Wild davon abzuhalten, in die rotwildfreien Gebiete zu wechseln. Diese These wurde genährt, als eine Wildkamera im Oktober hochinteressante Bilder festhielt: Dort schlich ein vermummter Mann mit einem Beutel in der Hand durch den Wald! Der Mann konnte schließlich identifiziert werden und gestand die Tat. Das Landratsamt Rosenheim ermittelt nun wegen „Wildvergrämung“.

Wildbiologin Christine Miller, Vorstand des Vereins Wildes Bayern e.V., setzt sich seit Jahren für den artgerechten Umgang mit Wildtieren ein und äußerte sich zu dem Fall: „Das komplette Gebiet Samerberg ist Teil eines jahreszeitlich genutzten Lebensraumes der Tiere. Im Winter halten sie sich eher in den niedrigeren Lagen auf, im Sommer eher in den höheren Gebieten. Die rotwildfreien Gebiete sind ohne jede biologische Begründung eingeführt worden.“ Die biologischen Folgen für das Rotwild seien verheerend. Wie die Biologin der Redaktion von rosenheim24.de mitteilte, wurde inzwischen auch Anzeige gegen den Jäger im rotwildfreien Gebiet bei der unteren Jagdbehörde wegen „mißbräuchlicher Fütterung“ erstattet.

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Auch in anderen Regionen Bayerns wird der Rothirsch aus den „legalen“ Rotwildgebieten gelockt, um ihn anschließend ohne Regeln bejagen zu können. In der Oberpfalz wird z.B. jährlich in der Jagdzeit entlang der Grenze zu Tschechien eine Kette von Fütterungen eingerichtet. Auf diese Weise wird das Rotwild aus dem tschechischen Böhmerwald in Gebiete gelockt, die nach dem bayerischen Jagdgesetz „rotwildfrei zu machen und zu halten“ sind. Am Boden dieser Missstände ist man aber erst angelangt, wenn man begreift, warum sich die Jäger der Region zum Teil vehement gegen eine Ausweisung ihrer Reviere als Rotwildbezirke ausgesprochen haben: In Rotwildbezirken wären sie der Hege und damit auch einem regulären Abschussplan verpflichtet. Außerhalb der Rotwildbezirke muss jedes Stück, ob männlich oder weiblich, alt oder jung, erlegt werden. Und so wird häufig das Kahlwild geschont und auf den Kronenhirsch gewartet. Am Ende der Jagdzeit werden dann viele Kirrungen nicht mehr beschickt, und das über die Grenze gelockte Rotwild geht in den Wäldern zu Schaden.

Einen Artikel der Deutschen Wildtier Stiftung zum Problem der Rotwildbezirke in der Zeitschrift Wild und Hund finden Sie hier.