Aus Anlass des Hubertustages hat die Deutsche Wildtier Stiftung im Jahr 2007 ein Positionspapier zur Jagdstrategie auf Rotwild veröffentlicht. Die Stiftung bezieht in ihrem Hubertuspapier Stellung zu den Themen Jagdzeit, Wildruhezonen und Nachtjagd.
Die Jagdstrategie auf Rotwild war im Jahr 2008 auch Inhalt des 4. Rotwildsymposiums der Deutschen Wildtier Stiftung. Im Vorfeld des Symposiums hat die Stiftung ihre Positionen zur Jagdstrategie auf Rotwild in der Broschüre „Der Rothirsch im Visier“ veröffentlicht.

Hubertustag – Chance zur jagdlichen Einkehr?

Forderungen der Deutschen Wildtier Stiftung zum 3. November 2007

Als Hubertus eines Tages bei der Jagd einen Hirsch aufgespürt hatte und ihn verfolgte, um ihn zu töten, stellte sich dieser ihm plötzlich entgegen. Zwischen seinem Geweih erstrahlte ein Kreuz, und in der Gestalt des Hirsches sprach Christus zu ihm: „Hubertus, warum verfolgst du mich?“

Was würde ein Rotwildjäger von heute dem Hubertus-Hirsch antworten? „Weil du dich in einem rotwildfreien Gebiet befindest?“ oder „Weil du die Fichten geschält und die Buchen verbissen hast?“

Rotwild – gestern und heute

Der Umgang mit unserem letzten Großsäugetier hat sich seit der Zeit des Hubertus vielfach gewandelt: Durch die Folgen der Revolution von 1848 war der Rothirsch in Deutschland fast ausgerottet. In der Mitte des 20. Jahrhunderts wuchs der Bestand vielerorts durch Trophäen orientierte Überhege wieder stark an. Das führte dazu, dass der Wildart der Stempel des Waldschädlings aufgedrückt wurde. Daraufhin wurde der Bestand in Deutschland durch hohen Abschuss reduziert. Zusammen mit der stetig fortschreitenden Landschaftszerschneidung führten der steigende Bejagungsdruck und die räumliche Beschränkung des Rotwildes auf gesetzlich vorge­schriebene Verbreitungsgebiete zu einem Rückzug der Tiere in Waldbereiche. Heute sind Rothirsche überwiegend nachtaktive Waldtiere. Die Folgen sind nicht nur Verbiss- und Schälschäden. Auch die Chancen für Naturfreunde unsere größte heimische Säugetierart zu beobachten sinken mehr und mehr.

Doch wie könnte ein neuer, der heutigen Zeit angepasster Umgang mit Rotwild aussehen?

Die Deutsche Wildtier Stiftung zeigt in dem von ihr herausgegebenen und gemeinsam mit Jagd-, Naturschutz- und Grundeigentümerverbänden entwickelten „Leitbild Rotwild“ Wege für ein fortschritt­liches Management dieser Wildart auf. Ziel muss es sein, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen menschlichen Interessen und den arteigenen Ansprüchen des Rotwildes zu finden. Dabei spielen die Art der Bejagung und die Berücksichtigung der Lebensraum­bedürfnisse des ursprünglichen Steppenbewohners eine wichtige Rolle.

Zum Hubertustag, am 3. November 2007, fordert die Deutsche Wildtier Stiftung Jäger und Jagdpolitik auf, dem Rotwild in Deutschland ein artgerechteres Leben zu ermöglichen:

1. Jagdzeit verkürzen

Die Deutsche Wildtier Stiftung fordert eine Verkürzung der Jagdzeit auf Rotwild: Die Jagdzeit auf Hirsche sollte am 1. August und auf weibliches Wild und Kälber am 1. September beginnen. Am 31. Dezember ist die Jagd auf Rotwild einzustellen.

Nach Bundesjagdgesetz und der Gesetzgebung mancher Bundesländer darf Rotwild heute bis zu neun Monate im Jahr bejagt werden. Die Jagdzeit der Kälber und Schmalspießer endet erst am 28. Februar. Am 1. Juni beginnt sie für Schmaltiere und -spießer bereits wieder. Erschwerend kommt hinzu, dass während der dreimonatigen Schonzeit bereits die Rehwildjagd und mit ihr eine Zeit starken Bejagungsdrucks in den Revieren beginnt. Unter diesen Voraussetzungen ist es faktisch unmöglich, Vertrautheit und Tagaktivität und damit eine natürliche Verhaltensweise des Rotwildes zu erreichen. Darüber hinaus würde die Jagdruhe im Januar und Februar dazu beitragen, Wildschäden an der Waldvegetation zu verhindern.

2. Nachtjagdverbot einhalten

Die Deutsche Wildtier Stiftung fordert, das Nachjagdverbot auf Rotwild einzuhalten. Ausnahmen dürfen nicht zur Regel werden!

Nach § 19 Abs. 4 des Bundesjagdgesetzes ist die Bejagung von Schalenwild während der Nachtzeit, mit Ausnahme von Schwarzwild, verboten. Aufgrund der immer schlechter werdenden Möglichkeiten zur Erfüllung von Abschussplänen und der Schäden in der Landwirtschaft wird heute jedoch in vielen Gebieten das Nachtjagdverbot aufgehoben. Die Folgen von Nachtjagd sind ein noch heimlicheres Verhalten des Rotwildes zur Befriedigung seines Sicherheitsbedürfnisses. Das weiter zurückgezogene Vorkommen der Tiere führt wiederum zu erhöhten Wildschäden im Wald. Daraus resultiert zwangsläufig noch höherer Bejagungsdruck – ein Teufelskreis, der sich nur durch eine Bejagung durchbrechen lässt, die Tagaktivität und Vertrautheit fördert.

Daher darf die Erlaubnis zur Nachtjagd auf Rotwild nur zeitlich und räumlich eng begrenzt erteilt werden und nur dann wenn die Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen ein unakzeptables Ausmaß angenommen haben.

3. Wildruhezonen einrichten

Die Deutsche Wildtier Stiftung fordert, in den Kernbereichen der Rotwild-Verbreitungs­gebiete Wildruhezonen auf Grundlage des Bundeswaldgesetzes auszuweisen.

Hohe Stressbelastung beim Rotwild ist eine wesentliche Ursache für den Verbiss und das Schälen von Bäumen. Zunehmende Nachtaktivität und die Präferenz geschlossener Tageseinstände sind die natürliche Reaktion der Tiere zur Befriedigung ihres Sicherheitsbedürfnisses. Immer mehr Beispiele weisen jedoch darauf hin, dass das lernfähige Rotwild bereits nach kurzer Zeit sein Verhalten in Wildruhezonen ändert und Tagaktivität und Vertrautheit annimmt.

Die Planung und Ausweisung von Wildruhezonen könnte auf Grundlage des Bundeswaldgesetzes (§ 14) erfolgen und sollte auf der Ebene der Population, jedoch nicht auf der Ebene einzelner, meist viel zu kleiner Jagdreviere vorgenommen werden. Hier bieten sich die Hegegemeinschaften als planende und durchführende Instanz an. Sie sollten in dem von ihnen betreuten Gebiet mindestens eine Wildruhezone ausweisen, die eine Größe von 100 ha nicht unterschreiten darf und möglichst auch Bereiche des Offenlandes einbezieht. In diesen Wildruhezonen sind jede Störung durch Jäger und Erholungssuchende ganzjährig zu vermeiden und geeignete Äsungs- und Verbissflächen anzulegen.

Da ein Großteil der Rotwildverbreitung heute in den Landesforsten angesiedelt ist, sollten diese eine Vorreiterrolle bei der Ausweisung von Wildruhezonen einnehmen.

Langfristig können Wildruhezonen auch zur Vermittlung von Naturerlebnissen genutzt werden, wenn Besucher so an die Ruhezonen gelenkt werden, dass sie das Wild nicht beunruhigen.

Fazit

Die Deutsche Wildtier Stiftung setzt sich dafür ein, Wildtiere in ihren Lebensräumen zu fördern und erlebbar zu machen. Für das Rotwild bedeutet das, ihm Lebensraum nicht nur im Wald, sondern auch im Offenland zur Verfügung zu stellen und die für die Wildtiere unkalkulierbaren Störungen durch den Menschen zu begrenzen.

Mit Blick auf die Jagd in Deutschland fordert die Deutsche Wildtier Stiftung, die Jagdzeit auf Rotwild zu verkürzen, das Nachtjagdverbot einzuhalten und Wildruhezonen einzurichten.

Downloads

Hubertuspapier 2007 zur Jagdstrategie auf Rotwild: Jagdzeit – Wildruhezonen – Nachtjagd

Broschüre zur Jagdstrategie „Der Rothirsch im Visier“: Jagdzeit – Wildruhezonen – Nachtjagd 

Münchhausen, H.F.v. ; A. Kinser und S. Herzog (2009): „Jagdfrei“ für den Rothirsch! – Strategien zur Verringerung des Jagddrucks. Deutsche Wildtier Stiftung, Tagungsband zum 4. Rotwildsymposium der Deutschen Wildtier Stiftung Döllnsee-Schorfheide; 29. und 30. August 2008; 248 S.

Inhalt des Tagungsbandes

Begrüßung & Grußworte

Zum Umgang mit Rotwild in Deutschland – zwischen jagdlicher Praxis und moralischer Verantwortung (Hilmar Freiherr v. MÜNCHHAUSEN und Andreas KINSER/ Deutsche Wildtier Stiftung)

Jagdzeiten verkürzen!

Erfahrungen der Praxis (Ulrich MAUSHAKE/ Bundesforstbetrieb Grafenwöhr)

Erkenntnisse der Wissenschaft (Prof. Dr. Walter ARNOLD/ Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien)

Erwartungen von Politik und Gesellschaft (Burkhard STÖCKER/ FH Eberswalde)

Nachtjagdverbot einhalten!

Erfahrungen der Praxis (Theo GRÜNTJENS/ Forstverwaltung Rheinmetall)

Erkenntnisse der Wissenschaft (Dr. Helmuth WÖLFEL & Marcus MEISSNER/ Institut für Wildbiologie Göttingen und Dresden e.V.)

Erwartungen von Politik und Gesellschaft (Gregor BEYER/ NABU)

Wildruhezonen ausweisen!

Erfahrungen der Praxis (Joachim MENZEL/ Niedersächsisches Forstamt Saupark)

Karl Heinrich EBERT (ehem. Forstamt Tübingen-Bebenhausen)

Erkenntnisse der Wissenschaft (Matthias NEUMANN/ Johann Heinrich von Thünen-Institut)

Erwartungen von Politik und Gesellschaft (Dr. Erhard JAUCH/ Landesjagdverband Baden-Württemberg e.V.)

Rotwildpolitik – die deutsche Debatte aus internationaler Sicht (Kai-Uwe WOLLSCHEID/ Internationaler Rat zur Erhaltung des Wildes und der Jagd (CIC))

Workshop I: Rotwild erlebbar Machen – Theorie und Praxis (Jan MALSKAT/ Duvenstedter Brook)

Workshop II: Hegegemeinschaften Weiterentwickeln (Anton KRINNER/ Hegegemeinschaft Isarwinkel)

Workshop III: Rotwildlebensräume Schaffen (Johann BÖHLING, Land Schleswig-Holstein)

Posterpräsentationen

CAMPELL, S & FILLI, F.: Rothirsche erleben im Schweizerischen Nationalpark; Schweizerischer Nationalpark

CAMPELL, S. & JENNY, H.: Sichtmarkierungen als Mittel zur Jagdplanung; Schweizerischer Nationalpark

CYRIACKS, P. & S. RIEGER: Aktivitätsmessung von Paarhufern mit Senderhalbändern; FH Eberswalde/ FG Wildbiologie

DUSCHER, A. & F. REIMOSER: Management implications from a telemetry study on Red Deer; Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie, Veterinärmedizinische Universität Wien

GREMSE, K. & S. RIEGER: Untersuchungen zur Eignung bleifreier Jagdmunition; FH Eberswalde/ FG Wildbiologie

Heurich, M. & GÜNTHER, S.: Partizipation eröffnet Perspektiven – Rotwildmanagement im Nationalpark Bayerischer Wald; Nationalpark Bayerischer Wald

LANG, J.; J. KEHR & D. WAßMUTH: Jagdzeiten für Rotwild in Europa; Institut für Tierökologie und Naturbildung

LANG, J. & O. SIMON: Zeitliche Muster der Rotwildbejagung in Deutschland; Institut für Tierökologie und Naturbildung

LORENZ, A.: Rotwildgenetik in Baden-Württemberg; Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg

MEIßNER, M.; H. REINECKE; J. BECKMANN; S. HERZOG & F.E. ZACHOS: Sicherung genetischer Diversität beim Rothirsch in der Kulturlandschaft; Institut für Wildbiologie Göttingen und Dresden e.V.

MEIßNER, M.; H. REINECKE & U. MAUSHAKE: Der Rothirsch auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr – Untersuchungen zur Habitatnutzung mit GPS-Telemetrie; Institut für Wildbiologie Göttingen und Dresden e.V.

NIEBRÜGGE, A.: Ökologischer Korridor Südbrandenburg; Stiftung Naturlandschaften Brandenburg

NITZE, M.: Rotwild-Telemetrie im Wolfsgebiet der Oberlausitz – Projektvorstellung; TU Dresden, Professur für Forstzoologie

PAPENDIECK, J.; R. GRÄBER; G. SODEIKAT & K. POHLMEYER: Untersuchung zum Raum-Zeitverhalten des Rotwildes im östl. Niedersachsen – Wirkung anthropogener Strukturen auf das Lebensraumverhalten; Institut für Wildtierforschung an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

RIEGER, S.; E. KORTE & P. CYRIACKS: Habitatnutzung und Migration des Rotwildes in Brandenburg; FH Eberswalde/ FG Wildbiologie

RITTER, T.: GIS-gestützte Quantifizierung der Landschaftszerschneidung als Grundlage zur Identifikation von Migrationskorridoren, Büsgen-Institut der Georg-August-Universität Göttingen, Abt. Forstzoologie und Waldschutz

SIMON, O. & J. LANG: Scheinwerferzählungen zur Bestandserfassung von Rotwild: Welche Ergebnisse liefert die Methode? Institut für Tierökologie und Naturbildung

SUCHANT, R., F. BURGHARDT & M.STREIN: Rotwildkonzeption Südschwarzwald; Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg

Zitiervorschlag

MÜNCHHAUSEN, H. Frhr. v.; KINSER, A. und HERZOG, S. (2009): „Jagdfrei“ für den Rothirsch! – Strategien zur Verringerung des Jagddrucks; Tagungsband zum 4. Rotwildsymposium der Deutschen Wildtier Stiftung am 29. und 30. August 2008 in Döllnsee-Schorfheide, 248 S., ISBN 3-936802-08-4.