Instinkt oder Erfahrung: Das Meideverhalten von Rotwild

„Das Rotwild entzieht sich immer mehr seiner Bejagung.“ Dieses Zitat könnte zurzeit ebenso gut aus dem Spessart wie aus dem Harz oder dem Taunus kommen. Kanadische Wissenschaftler sind diesem Phänomen in den vergangenen Jahren auf den Grund gegangenen und haben es nun wissenschaftlich untermauert: Je älter die Tiere werden, desto erfolgreicher entziehen sie sich ihrer Bejagung.

In den Untersuchungsgebieten in den kanadischen Provinzen Alberta und British Columbia versahen die Forscher 49 weibliche Wapitis (Cervus elaphus canadensis) mit Sendehalsbändern und beobachteten die Tiere über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren. Das Ergebnis: Ab einem Alter von etwa acht Jahren sind mache Individuen für ihre menschlichen Verfolger praktisch unerreichbar. Dabei lernen die erfahrenen Tiere offenbar gleich mehrere Methoden, um nicht erschossen zu werden. Indem sie sich grundsätzlich weniger bewegen, die Nähe von unübersichtlichem Gelände bevorzugen und in der Morgen- und Abenddämmerung aktiv sind, verringern sie die Gefahr, einem Jäger zu begegnen. Die Forscher fanden sogar Hinweise darauf, dass die Tiere auf unterschiedliche Arten der Jagd unterschiedlich reagierten.

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Zu dem wissenschaftlichen Artikel „Learning from the mistakes of others: How female elk (Cervus elaphus) adjust behaviour with age to avoid“ hunters gelangen Sie hier.

Zwischen vererbtem (Evolution) und erworbenem (Erlerntem) Verhalten

Besonders gravierende Auswirkungen auf den langfristigen Jagderfolg wären zu befürchten, wenn das erlernte Verhalten der erfahrenen Rothirsche bereits an die nächste Generation weitergegeben werden würde. Und gerade an dieser Stelle schwelt derzeit ein Streit unter Biologen, der die Evolutionstheorie nach Charles Darwin zumindest in Teilen in Frage stellt. Denn die Trennung zwischen vererbtem (Evolution) und erworbenem (Erlerntem) Verhalten lässt sich längst nicht mehr uneingeschränkt aufrechterhalten.

Womöglich ist es die sogenannten Epigenetik, die die Brücke zwischen Genen und Erfahrung schlägt. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für Epigenetik lieferte 2013 ein Forscherteam in Atlanta. Sie ließen männliche Mäuse an einer nach Mandeln riechenden Chemikalie schnüffeln und versetzten ihren Pfoten kurz darauf einen schwachen Stromschlag. Bald hatten die Mäuse gelernt, den Geruch mit dem Stromschlag in Verbindung zu bringen und mieden fortan alles, was mit Mandelgeruch zu tun hatte. Anschließend wurden die Männchen mit nicht konditionierten Weibchen verpaart. Und überraschenderweise reagierte die Mehrzahl der Nachkommen ebenfalls ängstlich auf den Geruch von Mandeln. Der Effekt war sogar noch in der folgenden Mäusegeneration nachweisbar, er musste also vererbt worden sein. Australische Wissenschaftler folgen nun daraus, dass es im Gehirn die strikte Trennung zwischen Erlerntem und Angeborenem nicht gibt. Instinkte, so die Forscher, könnten sich aus erlerntem Verhalten entwickelt haben.

Für Rotwildpopulationen würde die Epigenetik bedeuten, das „antrainiertes“ Verhalten, wie beispielsweise die Meidung von Wildäsungsflächen bei Büchsenlicht, auch nach einer Änderung der Jagdmethoden noch einige Jahre in der Population Bestand haben wird.

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