Bayerischer Jagdverband fordert Abschaffung der Rotwildgebiete in Bayern

Was für Wolf, Biber, Luchs & Co. selbstverständlich ist, gilt nicht für unsere größte heimische Säugetierart: das Rotwild. Während alle Wildtierarten sich in Bayern ihren Lebensraum selbst aussuchen können, gibt es für Rotwild sog. Rotwildgebiete. Nur dort darf sich unsere größte heimische Schalenwildart „legal“ aufhalten. Die Gesamtfläche dieser zehn Rotwildgebiete nimmt lediglich 14 % Bayerns ein. Auf 86 % der Landesfläche wird Rotwild nicht geduldet und muss per Gesetz rigoros abgeschossen werden. Hinzu kommt, dass diese Rotwildgebiete nicht zusammenhängend sind und das Rotwild daher auf kleine Inselvorkommen verteilt ist. Neue Studie der Universitäten in Göttingen und Gießen belegen nun eine fortgeschrittene genetische Verarmung der Populationen, die langfristig sogar das Aussterben der Art bedeuten könnten. Der Verein Wildes Bayern e.V. hat vor wenigen Wochen im Rahmen seiner Kampagne „Hirschkuh Hanna lernt fliegen“ bereits eine Petition zur Öffnung der Rotwildbezirke in Bayern und gegen das bestehende Abschussgebot außerhalb der Rotwildbezirke gestartet. In einem Imagefilm positioniert sich nun der Bayerische Jagdverband e.V. klar zum Thema Rotwild und die dramatische Situation um dessen Lebensraum in Bayern.

Genetische Vielfalt ist die Grundlage der Biodiversität

Die Zerschneidung der Landschaft durch Verkehr, Siedlungen, Zäune etc. ist deutschlandweit ein großes Problem und erschwert den Genfluss zwischen Rotwildpopulationen enorm. Auch andere Wildtierarten haben mit dem Fehlen sicherer Wanderkorridore zu kämpfen. Doch besonders fatal ist die Landschaftszerschneidung für den Rothirsch in Kombination mit der gesetzlich vorgeschriebenen Einschränkung auf bestimmte Gebiete. Dabei ist bereits lange bekannt, dass voneinander isolierte Populationen genetisch verarmen. Findet kein Austausch zwischen den Populationen statt, wird der Genpool immer kleiner und eine erhöhte Inzuchtrate ist die Folge. Damit einhergehend ist oft eine Reduktion der Fitness zu beobachten (z. B. Krankheitsresistenz, Fruchtbarkeit etc.).

Die Anpassungsfähigkeit einer Wildart hängt maßgeblich von der genetischen Vielfalt innerhalb der Population ab. Wissenschaftler der Universität Göttingen untersuchten deutschlandweit die Genetik von 34 Rotwildvorkommen: lediglich zwei Populationen erreichen eine ausreichende Größe von mehr als 500 Individuen, was im Artenschutz als Minimum gegen den langfristigen Verlust genetischer Vielfalt gilt. In den meisten Rotwildvorkommen wurde eine hohe Inzuchtrate detektiert. Weitere Untersuchungen konnten zeigen, dass Rotwildkälber, welche aus Populationen mit viel Inzucht stammen, eine um 77 % verringerte Überlebenswahrscheinlichkeit haben. Diverse Nachweise von Rotwild mit Unterkieferverkürzungen, wie sie u.a. bereits in Hessen dokumentiert wurden, sind ein alarmierender Hinweis auf Inzuchtdepression.

Der BJV fordert die Abschaffung der rotwildfreien Gebiete

Für das Rotwild ist es fünf vor Zwölf. Der Bayerische Jagdverband sieht daher dringenden Handlungsbedarf, um die fortschreitende genetische Verarmung zu verhindern. Das Präsidium hat aus diesem Grund beschlossen, diese Forderung öffentlich nach außen zu tragen und diese Angelegenheit konsequent voranzubringen. Die Ausweisung von Rotwildgebieten steht im Widerspruch zur gesetzlichen Hegepflicht mit dem Ziel eines artenreichen und gesunden Wildbestands. Nicht zuletzt ist Deutschland als Vertragsstaat der Biodiversitäts-Konvention sogar dazu verpflichtet, den Bestand lebensfähiger Populationen zu fördern und zu schützen. Dies verbietet einen nachhaltigen Eingriff in die genetische Vielfalt einer Population – z. B. durch Ausdünnungsabschüsse.

Vielmehr ist für unsere größte heimische Säugetierart Bayerns eine ganzheitliche wildökologische Raumplanung gefragt. Eine flächendeckende Einteilung in Rotwildregionen (etwa auf Basis von Hegegemeinschaften) kann die Grundlage für eine räumliche Zonierung sein, in der die vorherrschenden Ansprüchen der Forst-, Jagd- und Landwirtschaft als auch des Tourismus berücksichtigt werden und so das Rotwild sinnvoll gemanagt werden kann. Erfolg verspricht diese Raumplanung nur, wenn sämtliche betroffene Interessengruppen am Planungsprozess beteiligt werden. Die möglichst konfliktfreie Einbindung des Rotwilds in unsere Kulturlandschaft ist eine große Herausforderung, die jedoch als gemeinschaftliche Aufgabe verschiedener Landnutzer gelingen kann. Vor allem Bayerns Jägerinnen und Jäger werden dabei eine verantwortungsvolle Rolle spielen, da die Jagd und vor allem die Hege ein wichtiges Instrument des Wildtiermanagements ist. Bundesländer wie Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern machen es seit Jahren erfolgreich vor, wie eine erfolgreiche Land- und Forstwirtschaft auch ohne festgelegte Rotwildgebiete funktionieren kann.