Der Rothirsch hat im Lauf der Evolution bemerkenswerte Strategien entwickelt, um Zeiten mit Nahrungsengpässen zu überstehen. Im Winter verändert er nicht nur sein Verhalten, sondern auch seinen Körper – und spart dadurch Energie. Aber hat die Evolution den Hirsch auch auf die lang anhaltenden sommerlichen Dürrephasen vorbereitet, die durch den Klimawandel immer häufiger werden? Das war eines der Themen auf dem 11. Rotwildsymposium.

11. Rotwildsymposium

Naturnahe Lebensräume beugen Nahrungsengpässen vor

Gemeinsam mit dem Tiroler Jägerverband hatte die Deutsche Wildtier Stiftung zum Rotwildsymposium eingeladen – Thema der Tagung: „Strategien zur Überwindung von Notzeiten“. Gleich drei der elf Vorträge beschäftigten sich mit den Anpassungen des Rothirschs an Zeiten der Nahrungsknappheit. Wenn im Winter die Tage kürzer werden, wandern Rothirsche in andere Lebensräume und verkleinern ihre Streifgebiete. Auch ihr Körper verändert sich: Pansen, Leber und andere Organe werden kleiner und der Stoffwechsel ist reduziert. So sparen die Tiere in der kalten Jahreszeit Energie. Wird es im Sommer heiß und trocken, ziehen sie sich in kühle, wassernahe Gebiete zurück und bewegen sich dort möglichst wenig.

BITTE NICHT STÖREN

Egal, ob Winter oder Sommer – um in den Energiesparmodus zu wechseln und karge Wochen zu überstehen, brauchen Rothirsche störungsfreie Rückzugsräume. Doch davon gibt es in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft immer weniger. Auf dem Rotwildsymposium wurde deutlich: Störungen durch Jäger und Waldbesucher können ganze Bestände unter Stress setzen. Verhindern lässt sich das durch ein umsichtiges Wildtiermanagement, das dem Rothirsch Raum und Zeit gibt, sich zurückzuziehen. Dazu gehört zum Beispiel eine verbindliche Jagdruhe in Zeiten der Nahrungsknappheit. Ein wichtiges Instrument kann auch die Wildökologische Raumplanung sein. Sie versucht, die Ansprüche von Wildtieren und Menschen in Einklang zu bringen – oft mit Erfolg, wie Beispiele aus Vorarlberg belegen, die auf der Tagung vorgestellt wurden.

WERTVOLLE ZITTERPAPPELN

Verschärft werden Notzeiten auch durch den Verlust natürlicher Lebensraumkomponenten. Dr. Andreas Kinser, Leiter Natur- und  Artenschutz der Deutschen Wildtier Stiftung, zeigte auf dem Symposium, dass sogenannte Weichhölzer wie Zitterpappeln und Weiden, die für die Forstwirtschaft uninteressant sind, seit vielen Jahrzehnten gezielt aus unseren Wäldern verdrängt werden. Ihre Triebe bieten aber nicht nur im Winter, sondern auch bei Nahrungs engpässen im Sommer wertvolle Futter- Alternativen für den Rothirsch. Die Deutsche Wildtier Stiftung fordert daher, dass diese ökologisch wertvollen Baumarten wieder stärker gefördert werden. Kritisch sehen wir auch die anhaltende Entwässerung von Wäldern. Wasser reiche Gebiete sind wichtige Rückzugsräume, in denen Wildtiere in Hitzeperioden Abkühlung finden. Deshalb müssen sie wo immer möglich erhalten werden.

RAUM ZUR ANPASSUNG

Zum Abschluss der Tagung hob Prof. Dr. Klaus Hackländer, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung und Wildtierbiologe, noch einmal die erstaunliche Anpassungsfähigkeit des Rothirschs hervor: „Die Art wurde im Lauf der Evolution darauf getrimmt, Zeiten des Nahrungsmangels zu überwinden. Es gilt zu beobachten, ob sie damit auch gegen den Klimawandel gewappnet ist. Die Verantwortung des Menschen ist es, dem Rothirsch Raum zur Anpassung zu geben und Konflikte in der Kulturlandschaft zu vermeiden. Wie das gelingen kann, dazu haben die Vorträge des 11. Rotwildsymposiums wertvolle Anregungen gegeben.“

8. Rotwildsymposium: Der Hirsch als Naturschützer

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